Krieg in der Ukraine

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns in der westlichen Welt – vor allem aber in Deutschland – schmerzlich vor Augen geführt, dass militärische Gefahren nicht fern, sondern real und auch nah genug sind, um die NATO und somit auch Deutschland zu bedrohen. Die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs entstandene Sicherheitsordnung in Europa wurde durch Putins Regime vom Tisch gefegt. Russland ist nun endgültig kein Partner mehr, sondern stellt für unsere osteuropäischen Partner eine akute Bedrohung dar. Doch auch wir in Deutschland sind vermehrt Adressat von erklärter Ablehnung, Drohungen und Angriffen im Cyberraum. Mindestens fordert Russlands imperialistisches Ansinnen unser Verständnis des Völkerrechts, von Demokratie und Menschlichkeit auf groteske Weise heraus. Als Reaktion müssen wir unsere Außenpolitik gänzlich neu auf- und unsere Wehrhaftigkeit im Bündnis der NATO sicherstellen. Gleichzeitig war, ist und bleibt es richtig, die Ukraine bei ihrem Freiheitskampf nach unseren Möglichkeiten mit militärischem Gerät entschieden und langfristig zu unterstützen.

 

Zeitenwende umsetzen – Bundeswehr stärken

Deutschland hat nach dem Gräuel zweier Weltkriege eine lange Zeit des Friedens verlebt und in den letzten Jahrzenten nicht akut über Bündnis- und Landesverteidigung nachdenken müssen. Aufgrund der Einwebung in das starke Verteidigungsbündnis der NATO leben wir sicher. Dadurch und insbesondere durch das Aussetzen der Wehrpflicht sank das Ansehen, die Sichtbarkeit und die gefühlte Notwendigkeit der Unterhaltung schlagkräftiger Streitkräfte. Schon vor der militärischen Unterstützung der Ukraine, war die Bundeswehr entsprechend schwer angeschlagen und nicht imstande, unsere Bündnisverpflichtungen in der NATO vollumfänglich zu erfüllen. Richtig ist, dass durch die Abgabe von Militärgerät unsere eigene Verteidigungsfähigkeit noch weiter geschwächt wird.

Der ausgerufenen Zeitenwende müssen daher dringend Taten folgen. Als aktiver Reservist stehe auch ich persönlich als Bürger in Uniform bereit, in unseren Streitkräften mitzuwirken. Politisch muss aus dem Sondervermögen und vermutlich auch darüber hinaus massiv Material und Militärgerät beschafft werden. Die lähmende Bürokratie des Beschaffungswesens muss reformiert werden. Unsere Soldatinnen und Soldaten – die einen hervorragenden Dienst leisten – müssen für die Erfüllung ihrer Aufgaben bestmöglich ausgerüstet werden. Langfristig müssen wir endlich zu unserer Zusage stehen, (mindestens) 2% unseres Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung zu investieren. Hier ist jedoch entsprechend Eile geboten, da die Industrie nicht auf die deutsche Politik wartet. In meinem Wahlkreis am Bodensee, dem Standort wichtiger Rüstungsindustrie, ist dies besonders eindrücklich zu erleben. Vermehrt füllen ausländische Aufträge die Auftragsbücher der deutscher Rüstungsschmieden, die unter anderem die Motoren für die Bundesmarine, die Panzer Leopard 2, Marder, Puma und die Panzerhaubitze 2000 herstellen. Auch das Luftabwehrsystem IRIS-T, das sich im Lichte Russlands Raketenterror in der Ukraine bewährt hat, wird neben dem zukunftsweisenden Luftverteidigungssystem FCAS hier am Bodensee gefertigt.

 

Beziehung zu China neu ordnen

Chinas rasanter wirtschaftlicher Aufstieg und der erklärte politische Wille unter Parteichef Xi Jinping zur unangefochtenen Weltmacht aufzusteigen, stellt die bestehende internationale Ordnung in Frage. Der Ansatz „Frieden durch Handel“ ist im Angesicht Chinas immer aggressiveren Auftretens weitgehend gescheitert: die Volksrepublik ist wirtschaftlicher Konkurrent und erklärter systemischer Rivale. In globalem Maßstab destabilisiert China durch den Aufbau wirtschaftlicher Abhängigkeiten Drittstaaten vor allem in Afrika, sucht in Ablehnung der bisherigen Weltordnung unter Führung der freien Demokratien vermehrt der Schulterschluss mit Russland und droht Taiwan offen mit militärischer Unterwerfung, was gerade auch für Deutschland unüberschaubare wirtschaftliche Konsequenzen hätte.

Auch Deutschlands China-Politik muss in Konsequenz parteiübergreifend neu, und zwar europäisch sowie transatlantisch gedacht werden. Gleichzeitig ist China Deutschlands wichtigster Exportpartner. In zentralen globalen Fragen wie dem Klimaschutz muss ebenfalls weiterhin Kooperation möglich sein, doch müssen sich Deutschland und Europa stärker dem Systemwettbewerb stellen.

National müssen wir unsere Abhängigkeiten und Vulnerabilitäten im Bereich von Rohstoffen und der kritischen Infrastruktur verringern und regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Bestes Beispiel ist dafür die Veräußerung von Anteilen eines Terminals im Hamburger Hafen an eine chinesische Rederei. Wir müssen wachsam sein, denn China wird auch weiter versuchen, sich in unseren systemrelevanten Strukturen aber auch in unseren Immobilienmarkt sowie unseren wirtschaftlichen Mittelstand einzukaufen, um perspektivisch außenpolitische Druckpunkte aufzubauen. Es geht bei allem nicht um eine unrealistische Abkopplung von China, sondern vielmehr um eine Minimierung von Risiken, die in den letzten Jahren unter Vernachlässigung unserer Sicherheit zugunsten schneller Profite aufgebaut wurden.

 

Afrikapolitik überdenken

Über viele Jahrzehnte hat sich die westliche Welt gegenüber den afrikanischen Staaten in Hilfspolitik geübt. Immer wieder wurde dieses Vorgehen – an seinem Ergebnis gemessen – als wenig zielführend kritisiert. Die afrikanische Wirtschaft ist dadurch nicht in Schwung gekommen, die Lebensverhältnisse der Menschen haben sich nicht wesentlich verbessert und außenpolitisch sowie wirtschaftlich konnten wir mit dem Kontinent wenig nachhaltige Verflechtungen aufbauen. Im Lichte der eingesetzten Mittel ist die Bilanz eher ernüchternd. Auch sollten wir reflektieren, ob nicht unsere eigenen Ambitionen wie der Zugang zu Rohstoffen und günstigen Potenzialen für den Arbeitsmarkt Afrikas Entwicklung eher gehemmt als gefördert hat.

In den letzten Jahren haben sich durch den immer größer werdenden Einfluss etwa von China und Russland neue Dynamiken entwickelt. Vor allem China vergibt großzügig Kredite und unterstützt massiv beim Aufbau von Infrastruktur. Gleichzeitig binden sich die afrikanischen Staaten durch die kaum leistbare Rückzahlung der Kredite, dem gewährten Zugang zu Rohstoffen vor allem für die Batterieproduktion und die daraus erwachsende politischen Abhängigkeit immer mehr an autokratische Systeme.

All diese Entwicklungen haben zu einem neuen Selbstbewusstsein der afrikanischen Staaten auf dem internationalen Parket geführt. Heute verlangt Afrika die Begegnung auf Augenhöhe, wenn nicht sogar Länder wie China, Russland und die USA um seine Gunst buhlen müssen. Ein hoher Staatsbesuch folgt auf den nächsten, denn die Weltmächte wissen, dass durch ein stabiles Bündnis mit dem afrikanischen Kontinent Sicherheit, Macht und vor allem der Zugang zu Bodenschätzen einhergeht. Als zweitgrößter Kontinent mit enormem Potential weiß Afrika um seine zentrale Rolle bei der Bereitstellung der für die weltweite Energie- und Mobilitätswende essenziellen Rohstoffe und schlägt daraus politisches Kapital.

Deutschland muss aus dieser Entwicklung Lehren ziehen, die Entwicklungspolitik wesentlich ändern, wenn nicht sogar abschaffen und unsere Interessen klarer vertreten. Wir müssen unsere wertebasierten Hilfslogik ablegen und zu einer partnerschaftlichen Investitionslogik kommen.

 

Neue Weltordnung

Nicht alle Staaten der Welt verurteilen den Krieg in der Ukraine so entschieden wie wir in Deutschland. Vielmehr schlagen sich Staaten aus diversen Gründen entweder offen auf die Seite Russlands oder verhalten sich neutral. Dies zeigt, dass die internationale Staatengemeinschaft gespalten ist. China, Russland, Teile Afrikas und Indien sind neben den USA Akteure der internationalen Politik, die immer selbstbewusster als Großmächte auftreten. Wir befinden uns mitten auf dem Weg in eine multipolare und somit immer weniger berechenbare Weltordnung. Wir in Deutschland müssen die Zusammenarbeit in Europa intensivieren und vermehrt mit vereinter Stimme sprechen, um ein entsprechendes Gewicht bei der Vertretung unserer Interessen in der Weltpolitik darzustellen. Dabei dürfen wir aber nicht unsere bestehenden Partnerschaften, wie beispielsweise mit den USA vernachlässigen. Vielmehr ist in dieser Zeit erforderlich, mit Staaten wie Kanada, die unsere Werte und Ziele wie den Klimaschutz als Querschnittsthema teilen, die Zusammenarbeit vor allem in wirtschaftlichen Fragen zu intensivieren.